Warum höre ich im Alter schlecht?

Cartoonhaft dargestellter alter Mann mit einer Sprechblase in der steht "das bin ich als 90 jähriger"

 

Was sich verändert – und was wirklich hilft

 

Hören ist ein aktiver, hochkomplexer Vorgang. Mit dem Alter verändert sich dieser Prozess messbar – oft schleichend, aber folgenreich. Besonders hohe Töne verschwinden zuerst. Doch warum ist das so?

Presbyakusis: Wenn das Ohr älter wird

Altersbedingter Hörverlust – medizinisch als Presbyakusis bezeichnet – ist die häufigste Form des Hörverlusts bei älteren Menschen. Es handelt sich dabei um einen symmetrischen, sensorineuralen Hochtonverlust, der langsam fortschreitet und nicht reversibel ist.

Besonderheit: Der Verlust betrifft meist zuerst die hohen Frequenzen – also gerade jene Anteile der Sprache, die für Verständlichkeit entscheidend sind.

Was genau passiert im Innenohr?

Früher ging man davon aus, dass vor allem äußere Haarzellen (OHC) in der Basilarmembran absterben. Heute ist klar: Presbyakusis ist komplexer.

  • Synaptopathie: Die Verbindungen zwischen Haarzellen und Hörnerv (Synapsen) gehen verloren – oft bevor die Haarzellen selbst betroffen sind.
  • SGC-Verlust: Spiralganglienzellen sterben ab – das führt zu schlechterer Signalweiterleitung trotz erhaltener Haarzellen.
  • Oxidativer Stress & mtDNA-Schäden: Altersbedingt häufen sich Schäden in den Mitochondrien, die Zellfunktion leidet.
  • Mikrogefäßveränderungen: Die feine Durchblutung im Innenohr nimmt ab, Sauerstoffversorgung sinkt.
Hinweis: In der Forschung wird diskutiert, ob nicht sogar zentrale Prozesse im Gehirn zur Presbyakusis beitragen – z. B. durch verminderte Verarbeitungsgeschwindigkeit oder Neurotransmitter-Veränderungen.

Warum gerade hohe Töne?

Die Hörschnecke ist tonotop organisiert – hohe Frequenzen werden an der Basis verarbeitet, tiefe im Apex. Die Basis ist gleichzeitig am stärksten mechanischem Stress, oxidativem Schaden und Lärmeinwirkung ausgesetzt.

Besonderheit: Eine verbreitete Theorie geht davon aus, dass die Nähe zum ovalen Fenster, dünnere Membranstrukturen und höhere mechanische Belastung die Basis besonders anfällig machen.
Achtung: Die sogenannte „Treppenhaus-Theorie“ – dass auch tiefe Töne die Basis mitschädigen – ist umstritten. Die Welle auf der Basilarmembran breitet sich frequenzspezifisch aus. Tieffrequente Reize erreichen ihre maximale Auslenkung nicht an der Basis.

Welche Risikofaktoren gibt es?

  • Lärmbelastung über Jahre
  • Ototoxische Medikamente
  • Rauchen, Passivrauchen
  • Hoher Blutdruck, Gefäßerkrankungen
  • Diabetes mellitus
  • Genetische Veranlagung

Welche Folgen hat Presbyakusis im Alltag?

  • Gespräche in Gruppen oder Lärm werden schwer verständlich
  • Sprachanteile „verschwinden“ (z. B. Zischlaute)
  • Richtungshören wird unzuverlässig
  • Erhöhte mentale Höranstrengung (Hörstress)
  • Erhöhtes Risiko für kognitiven Abbau
  • Soziale Isolation, emotionale Belastung
Empfehlung: Bereits ab dem 55. Lebensjahr sollte jährlich ein Hörtest durchgeführt werden – unabhängig vom subjektiven Hörempfinden.

Was hilft wirklich?

  1. Hörgeräte: verbessern das Sprachverstehen, reduzieren Hörstress und entlasten das Gehirn.
  2. Cochlea-Implantate: auch im Alter erfolgreich einsetzbar, wenn Hörgeräte nicht ausreichen.
  3. FM-Anlagen und Assistenztechnik: für TV, Telefon, Gruppengespräche
  4. Neurokognitives Hörtraining: zur Förderung zentraler Verarbeitungsprozesse
  5. Gesunder Lebensstil: Bewegung, Blutdruckkontrolle, Rauchstopp, Stressvermeidung

Fazit

Altersbedingter Hörverlust ist normal – aber nicht trivial. Besonders der Verlust hoher Frequenzen ist erklärbar, messbar und behandelbar. Wer früh handelt, kann das Hörvermögen stabilisieren, das Sprachverstehen erhalten und die Lebensqualität verbessern.

 

Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology

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