Was ist Empathie und was löst sie aus?

Aktives Zuhören symbolisiert duch einen Mann der auf ein Ohr zeigt

Empathie: Warum Ihr "Bauchgefühl" über den Hörerfolg entscheidet.

Auf den Punkt gebracht: Empathie in der Audiologie ist kein "weicher Faktor", sondern messbare Medizin. Neue Studien zeigen: Wenn Sie sich verstanden fühlen, verändert das Ihre Neurobiologie, senkt Stresshormone und sorgt dafür, dass Hörgeräte nicht in der Schublade landen.

Wenn wir über Hörgeräte sprechen, reden wir meist über Chipsätze, Kanäle und Bluetooth. Doch die aktuelle Forschung zeigt, dass der wichtigste Faktor für Ihren Erfolg gar nicht im Gerät sitzt – sondern gegenüber auf dem Stuhl des Akustikers.

Empathie wird oft missverstanden als "Nettigkeit" oder "Mitleid". Doch in der klinischen Audiologie (M.Sc. Level) definieren wir Empathie anders: Es ist die Fähigkeit zur kognitiven Perspektivübernahme. Es geht darum, den Hörverlust nicht nur als Kurve auf dem Papier, sondern als emotionale Realität in Ihrem Alltag zu verstehen.

Der "Wirkstoff" Empathie: Was im Gehirn passiert

Warum ist das wichtig? Eine spannende Studie von Joseph & Abraham (2025) belegt, dass empathische Kommunikation direkt in die Neurobiologie eingreift. Wenn ein Behandler wirklich zuhört und validiert, werden Belohnungszentren im Gehirn aktiviert und Stresshormone reguliert.

Für Sie als Hörgeräteträger bedeutet das:

  • Weniger "Hörstress": Ein entspanntes Nervensystem kann neue Klänge besser verarbeiten.
  • Bessere Adhärenz: Wer sich sicher fühlt, trägt sein Gerät lieber und länger.

Woran Sie professionelle Empathie erkennen:

  • Ihr Akustiker fragt gezielt nach Ihren Gefühlen in Hörsituationen ("Macht Sie das wütend oder eher müde?").
  • Sorgen werden nicht technisch weggewischt ("Das muss so klingen"), sondern ernst genommen.
  • Sie spüren, dass Ihre individuelle Lebenssituation (nicht das Audiogramm) den Takt vorgibt.

Das 83-zu-56 Problem: Warum Technik allein scheitert

Die Forschung zeigt uns eine gefährliche Lücke. In einer Untersuchung von Grenness et al. (2015) wurde bei 83 % der Patienten ein Hörgerät empfohlen, aber nur 56 % entschieden sich tatsächlich dafür. Was fehlte?

Die Antwort: In vielen Fällen wurden die psychosozialen Bedenken ignoriert. Die Patienten erhielten zwar eine technische Lösung, aber ihre Sorgen ("Sehe ich damit alt aus?", "Was, wenn es pfeift?") wurden nicht adressiert. Empathie ist der Klebstoff, der diese Lücke schließt. Studien wie die von Poost-Foroosh (2011) beweisen: Eine klientenzentrierte Interaktion ist der stärkste Hebel dafür, dass Sie mit Ihrer Entscheidung langfristig glücklich werden.

Die große Täuschung: Selbstbild vs. Realität

Hier muss ich als "Insider" kritisch mit meiner eigenen Branche sein. Viele Akustiker glauben, sie seien sehr empathisch. Die Daten sagen etwas anderes.

Untersuchungen (z.B. Hermans et al., 2018 oder Bernardo et al., 2018) zeigen immer wieder eine Diskrepanz: Behandler bewerten ihre eigene Empathie oft deutlich höher als die Patienten es tun. Klinisch relevant ist aber nur das, was bei Ihnen ankommt. Ein Akustiker, der technisch brillant ist, aber Ihre emotionale Realität nicht "liest", verschenkt enormes Potenzial für Ihren Hörerfolg.

Insider-Tipp: Bringen Sie Verstärkung mit!
Eine Studie an über 60.000 Personen (Singh & Launer, 2016) zeigte: Wenn Patienten eine vertraute Person zum Termin mitbringen, steigt die Erfolgsquote von 50,6 % auf 63,8 %. Empathie im sozialen Umfeld ist ein Turbo für gutes Hören.

Die sechs Säulen der personzentrierten Versorgung

Empathie steht nicht allein. Sie ist das emotionale Fundament. Entdecken Sie hier die weiteren Säulen:

Kurz zusammengefasst

Empathie ist keine "nette Beigabe", sondern ein entscheidender Faktor für Ihre Gesundheit. Sie senkt Stress, verbessert die Akzeptanz der Technik und sorgt dafür, dass Sie und Ihr Akustiker am gleichen Strang ziehen. Achten Sie bei der Wahl Ihres Experten darauf, ob er nur Ihre Ohren misst – oder ob er versteht, wie es sich anfühlt, mit Ihren Ohren zu leben.

Quellen

Joseph A, Abraham J (2025). The Power of Communication and Listening in Healing. Am J Hum Psychol. DOI: 10.54536/ajhp.v3i1.5733
Grenness C et al. (2015). The nature of communication in audiologic rehabilitation. J Am Acad Audiol. DOI: 10.3766/jaaa.26.1.5
Poost-Foroosh L et al. (2011). Factors in Client–Clinician Interaction. Trends Amplif. DOI: 10.1177/1084713811430217
Singh G, Launer S (2016). Social Context and Hearing Aid Adoption. Trends Hear. DOI: 10.1177/2331216516673833
Hermans L et al. (2018). GP perception of delivered empathy vs patient-perceived empathy. Br J Gen Pract. DOI: 10.3399/bjgp18X698381
Bernardo MO et al. (2018). Physicians' self-assessed empathy levels do not correlate with patients' assessments. PLoS ONE. DOI: 10.1371/journal.pone.0198488

Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology
Stand: 14. Dezember 2025

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