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Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology
Der kalorische Test zählt zu den ältesten, aber bis heute zuverlässigsten Verfahren zur selektiven Überprüfung des horizontalen Bogengangs im Gleichgewichtsorgan. In der modernen Schwindel- und Gleichgewichtsdiagnostik ist er unverzichtbar – vor allem bei unklaren Beschwerden, vor Operationen und bei chronischer Instabilität.
Was misst der kalorische Test?
Der Test nutzt den physikalischen Effekt der Thermokonvektion. Durch gezielte Temperaturveränderung im Gehörgang (kalt oder warm) wird ein Strom in der Endolymphe des horizontalen Bogengangs erzeugt. Das Gehirn interpretiert diesen Reiz wie eine Kopfdrehung – was automatisch einen Nystagmus auslöst.
Wann ist der Test sinnvoll?
- Bei einseitiger oder beidseitiger Vestibularisstörung
- Zur Differenzierung zwischen peripherem und zentralem Schwindel
- Vor Cochlea-Implantationen (CI) zur Risikoabschätzung
- Bei Kindern mit CMV-Infektion zur Vestibulardiagnostik
- Zur Prüfung der visuellen Suppression (zentraler Funktionstest)
So läuft die Untersuchung ab

Der äußere Gehörgang wird mit temperierter Luft oder Wasser gespült:
- Wasser: ca. 30 °C (kalt) und 44 °C (warm)
- Luft: ca. 21 °C (kalt) und 51 °C (warm)
Die Augenbewegungen werden per Videonystagmographie (VNG) aufgezeichnet. Wichtig ist dabei eine vollständig abgedunkelte Umgebung. Der Test dauert pro Seite etwa 1–2 Minuten.
Wie wird der Befund ausgewertet?
Die wichtigste Messgröße ist die Geschwindigkeit der langsamen Nystagmusphase (SPV). Sie wird für alle vier Reize (links/rechts, kalt/warm) separat gemessen.
Typische Befunde im Überblick:
- Unilateral Weakness (UW): Differenz > 20 % → Hinweis auf periphere Läsion
- Bilaterale Schwäche: Gesamt-SPV < 12°/s → Hinweis auf beidseitige Schädigung
- Fehlende Suppression: → Hinweis auf zentrale Störung (z. B. Kleinhirn)
Kalorik und vHIT – zwei Seiten derselben Medaille
Der kalorische Test misst ausschließlich die Reaktion auf sehr langsame Reize. Für schnelle Alltagsbewegungen (z. B. beim Stolpern) ist der Video Head Impulse Test (vHIT) ergänzend notwendig.