Gendefekt und Schwerhörigkeit

Man zeigt mit dem Finger auf Gen-Strang der symbolisch für genetisch bedingte Hörverluste steht

Zuletzt aktualisiert: 21. Oktober 2025

Genetische Faktoren gehören zu den häufigsten Ursachen für Hörverluste. Auch bei Erwachsenen kann ein bislang unerkannter Gendefekt entscheidend sein: bei fortschreitender Schwerhörigkeit, unerwartet schlechtem Hörgeräteerfolg oder Medikamentenunverträglichkeiten. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten genetischen Ursachen, ihre Diagnostik und therapeutische Bedeutung.

Hintergrundwissen: Etwa 50 bis 60 % aller frühkindlichen Hörstörungen sind genetisch bedingt. Doch auch spät einsetzende Hörverluste können genetische Ursachen haben.

Nicht-syndromische genetische Schwerhörigkeit

Bei dieser Form betrifft der Gendefekt ausschließlich das Hörorgan. Andere Organsysteme bleiben unauffällig. Sie macht etwa 70 bis 80 % der genetisch bedingten Fälle aus.

Rezessive Formen

  • GJB2 (Connexin 26): Wichtigstes Gen für frühkindliche Schwerhörigkeit. Studie zu GJB2 als Hauptursache genetischer Hörverluste (2002). In seltenen Fällen liegt eine sogenannte digenische Vererbung mit GJB6 vor.
  • OTOF: Ursache auditiver Neuropathie. Bei CI oft sehr gutes Sprachverstehen.
  • STRC: Häufig bei leichter bis mittelgradiger Schwerhörigkeit, wird oft übersehen. Ursache ist meist eine homozygote Deletion. Tritt oft gemeinsam mit Tinnitus auf.

Dominante Formen

  • WFS1, TECTA: Typisch sind langsam progrediente Verläufe mit bestimmten Audiogrammformen, z. B. Hochtonabfall oder U-förmige Konfiguration.

X-chromosomale Formen

Sind selten. Betroffen sind meist Männer.

Therapietipp: Bei schlechterem Hörgeräteerfolg als erwartet lohnt sich ein Blick auf die Genetik. Besonders bei auditiver Neuropathie können klassische Hörgeräte an ihre Grenzen stoßen.

Mitochondriale Schwerhörigkeit

Vererbung über die Mutter. Gefährlich ist insbesondere die Mutation 1555A>G: Sie führt zu extremer Empfindlichkeit gegen Aminoglykoside wie Gentamycin. Schon eine einmalige Gabe kann zur Ertaubung führen. Trotz des oft gravierenden Verlaufs ist die Prognose nach Cochlea-Implantation meist gut, da der Hörnerv funktionell intakt bleibt.

Empfehlung: Bei ungeklärter Schwerhörigkeit und anstehender Antibiotikatherapie kann ein Gentest Leben verändern.

Syndromische genetische Schwerhörigkeit

Hier tritt der Hörverlust im Rahmen eines größeren Syndroms auf. Häufige Beispiele:

  • Usher-Syndrom: Hörverlust + Retinitis pigmentosa
  • Pendred-Syndrom: Hörverlust + Schilddrüsenunterfunktion, oft mit EVA oder Mondini-Fehlbildung. Mutationen im Gen SLC26A4 sind typisch.
  • Jervell-Lange-Nielsen: Hörverlust + QT-Verlängerung (Herzrhythmus)

Wann ist genetische Diagnostik sinnvoll?

  • bei frühkindlicher oder familiärer Schwerhörigkeit
  • bei auffälligem MRT/CT (z. B. EVA mit SLC26A4-Mutation)
  • bei schlechtem Hörgeräteerfolg trotz passender Akustik
  • vor geplanter CI-Versorgung zur Prognoseeinschätzung

Verfügbare genetische Tests

  • GJB2-Screening: Schnelltest, günstig, bei Kindern oft Standard
  • NGS-Panel: Next-Generation-Sequencing, deckt >100 Gene ab
  • Exom/Genom-Sequenzierung: bei komplexen oder unklaren Fällen

Forschung und Ausblick

Gentherapie ist kein Science-Fiction mehr. Für OTOF und STRC laufen erste Studien. Einzelne Gene konnten in Tiermodellen bereits erfolgreich behandelt werden.

Forschungsausblick: Der erste klinische Einsatz einer Gentherapie bei Hörverlust könnte noch in diesem Jahrzehnt erfolgen.

Fazit

Genetische Ursachen sind ein zentraler, oft unerkannter Faktor bei Schwerhörigkeit. Moderne Diagnostik hilft, Klarheit zu schaffen, Risiken zu vermeiden und Therapieentscheidungen abzusichern.

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Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology

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