VEMP-Test: Gleichgewicht & Hörnerv objektiv testen

Man zeigt auf gezeichneten Patienten mit aufgeklebten Kontakten für Vemp Messung

 

Viele Menschen ab 50 Jahren leiden nicht nur unter Hörverlust, sondern auch unter Schwindel, Benommenheit oder Gangunsicherheit. Das ist kein Zufall – denn Hören und Gleichgewicht sind eng miteinander verbunden. Der VEMP-Test kann helfen, die genaue Ursache zu finden, bevor über eine passende Hörlösung wie Hörgerät oder Cochlea-Implantat entschieden wird.

Wenn klassische Tests wie Kalorik, vHIT oder MRT keine klare Ursache für den Schwindel zeigen, fehlt möglicherweise ein entscheidendes Puzzlestück: die Otolithenorgane. Genau hier setzt der VEMP-Test an.

Was misst der VEMP-Test überhaupt?

VEMP steht für „vestibulär evozierte myogene Potentiale“. Dabei handelt es sich um muskuläre Reflexantworten auf Schall- oder Vibrationsreize, die über das Gleichgewichtsorgan vermittelt werden. Je nachdem, wo die Antwort gemessen wird, unterscheidet man zwei Varianten:

  • cVEMP: misst den Sacculus über den Halsmuskel (SCM)
  • oVEMP: misst den Utriculus über einen Augenmuskel
🧠 Fachwissen für Interessierte:
Der cVEMP prüft den Reflexweg vom Sacculus über den Nervus vestibularis inferior bis zum M. sternocleidomastoideus. oVEMP testet den Utriculus und den superioren Vestibularisast. Diese Differenzierung ist besonders relevant bei Morbus Menière oder Vestibularisneuritiden.

Wann ist der Test sinnvoll – und wann nicht?

VEMP ist besonders hilfreich, wenn andere Tests unauffällig bleiben, aber die Beschwerden weiter bestehen. Typische Einsatzgebiete:

  • Morbus Menière
  • Superior-Canal-Dehiszenz-Syndrom (SCDS)
  • Zentrale Gleichgewichtsstörungen (z. B. MS)
  • Altersbedingte vestibuläre Degeneration
Diagnostisch führend: Bei SCDS zeigen sich oft überhöhte Amplituden und extrem niedrige Reizschwellen in cVEMP/oVEMP.

Vorsicht ist geboten bei:

  • Hyperakusis oder Geräuschangst
  • Tinnitus nach Knalltrauma
  • posttraumatischer Belastungsreaktion mit akustischen Triggern
⚠️ Hinweis: Bei lautsensiblen Patienten kann der Test belastend oder sogar kontraindiziert sein. BC-VEMP (Knochenleitung) ist hier ggf. eine schonendere Alternative.

Wie läuft die Untersuchung ab?

Aufgeklebte Kontakte für Vempmessung

Der Patient liegt oder sitzt. Reize erfolgen über Kopfhörer (cVEMP) oder Vibration an der Stirn (oVEMP). Ableitungen erfolgen über Klebeelektroden. Die Untersuchung dauert ca. 10–15 Minuten und ist nicht schmerzhaft.

Was sagt ein auffälliger Befund aus?

Einseitig reduzierte oder fehlende Antwort kann auf eine Schädigung des jeweiligen Vestibularisastes hindeuten. Bei zentralen Störungen kann sich eine verlängerte Latenz zeigen.

📊 Fachwissen für Interessierte:
Die wichtigsten Parameter sind:
  • Amplitude: reduziert bei Endorganschädigung, erhöht bei Dehiszenz
  • Latenz: verlängert bei zentraler Pathologie (z. B. MS)

Was bedeutet das für Ihre Hörversorgung?

Wenn Sie unter Schwindel, Benommenheit oder Gleichgewichtsstörungen leiden und gleichzeitig Hörprobleme haben, lohnt sich eine kombinierte Abklärung. Denn häufig zeigen sich Zusammenhänge zwischen Otolithenfunktion und Hörverlust – etwa bei Morbus Menière oder nach Knalltrauma.

In einigen Fällen kann die Diagnose über VEMP dazu beitragen, auch Ihre Hörversorgung besser zu planen – z. B. bei der Entscheidung zwischen Hörgerät oder Cochlea-Implantat.

Fazit: Kein Alleskönner, aber ein wichtiges Puzzlestück

Der VEMP-Test liefert wertvolle Zusatzinformationen – gerade dann, wenn die Ursache von Schwindel oder Unsicherheit im Raum steht. Als Teil der erweiterten vestibulären Diagnostik kann er helfen, gezielter zu behandeln – und Ihre Hörlösung passender auszuwählen.

Mehr zur Frage: Wann helfen Hörgeräte auch beim Gleichgewicht?

Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology

Quellen:

Vestibular-Evoked Myogenic Potential Testing in Vestibular Localization and Diagnosis 2020, Rachael L. Taylor, M. Welgampola, B. Nham, S. Rosengren DOI 10.1055/s-0039-3402068

Evidence-based diagnostic use of VEMPs
2020, Julia Dlugaiczyk DOI 10.1007/s00106-019-00767-2

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