Wie gutes Hören Stürze verhindern kann

Man mit Daumen hoch. Älterer Mann mit Hörgeräten balanciert mit ausgestreckten Armen auf einem Balken – Symbol für das Zusammenspiel von Hören und Gleichgewicht

 

 

Aktualisiert am:
Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology

 

Viele ältere Menschen berichten: Mit neuen Hörgeräten fühlen sie sich sicherer auf den Beinen. Was zunächst nach Einbildung klingt, hat eine solide wissenschaftliche Basis. Hörverlust erhöht das Risiko für Stürze deutlich – selbst dann, wenn keine Schwindelerkrankung vorliegt. Doch kann eine Hörhilfe tatsächlich das Gleichgewicht beeinflussen?

Hinweis: Ein Hörverlust kann unbemerkt das Gleichgewicht beeinträchtigen, weil das Gehirn ständig zwischen Hören, Sehen und Körpergefühl ausgleicht. Wer besser hört, entlastet auch sein Gleichgewichtssystem.

Zusammenhang zwischen Hörverlust und Sturzrisiko

Mehrere groß angelegte Studien (Lin 2012, Agmon 2017, Powell 2021, Putter-Katz 2025) zeigen: Schon ein moderater Hörverlust erhöht das Risiko für Stürze um das Zwei- bis Dreifache. Selbst wenn Faktoren wie Sehschwäche, Kreislaufprobleme oder Medikamenteneinnahme berücksichtigt werden, bleibt Hörverlust ein unabhängiger Risikofaktor.

Mögliche Mechanismen:

  • Kognitive Belastung: Das Gehirn muss mehr Energie auf Sprachverstehen verwenden, wodurch weniger Kapazität für Haltungskontrolle bleibt.
  • Fehlende akustische Orientierung: Geräusche liefern räumliche Bezugspunkte. Wenn sie fehlen, verschlechtert sich die Raumwahrnehmung und Reaktionszeit.
Besonderheit: Der Zusammenhang bleibt bestehen – selbst bei Menschen ohne bekannte vestibuläre Störung. Hören und Gleichgewicht sind also stärker verknüpft, als man lange dachte.

Wie Hörgeräte das Gleichgewicht indirekt unterstützen

Die Forschung beschreibt drei Hauptwege, über die Hörgeräte helfen können:

1. Kognitive Entlastung

Hörgeräte senken die Höranstrengung. Dadurch bleiben mehr neuronale Ressourcen für Gleichgewichts- und Bewegungssteuerung verfügbar (Francis 2023, Seifer 2025).

2. Multisensorische Integration

Das Gehirn kombiniert auditive, visuelle und vestibuläre Reize, um Position und Bewegung im Raum zu berechnen. Bessere auditive Signale stabilisieren diese Integration – ähnlich wie ein zusätzlicher Orientierungspunkt im Dunkeln.

3. Verbesserte Aufmerksamkeit und Raumwahrnehmung

Wer wieder klar hört, reagiert schneller auf Umgebungsgeräusche, Schritte oder Warnsignale. Studien zeigen: Die regelmäßige Nutzung von Hörgeräten senkt nachweislich das Sturzrisiko (Campos 2023).

Was die Forschung bisher zeigt

  • Campos 2023: Konsistente Hörgerätenutzung senkt das Sturzrisiko signifikant.
  • Rumalla 2015: Hörgeräte können die posturale Stabilität verbessern.
  • Mohanathas 2024: Unter realistischen Doppelaufgaben (gleichzeitig hören und balancieren) kein signifikanter Effekt – aber keine Verschlechterung.
  • Seifer 2025: Keine negativen Einflüsse auf Gangparameter; Hörgeräte sind somit sicher für das Gleichgewicht.
Empfehlung: Eine Hörgeräteversorgung ersetzt kein Gleichgewichtstraining, kann aber die Voraussetzungen für eine stabile Körperhaltung verbessern. Optimal ist die Kombination aus Hörrehabilitation und gezieltem Balance-Training.

Klinische Konsequenzen

  1. Hörverlust sollte bei Sturzprävention immer mitbetrachtet werden.
  2. Eine Hörgeräteversorgung kann Teil eines multimodalen Balance-Programms sein.
  3. Der Effekt zeigt sich vor allem bei konsequenter Tragezeit.
  4. Ergänzend wirken physiotherapeutisches Training und gezielte vestibuläre Diagnostik.

Fazit

Hörgeräte verbessern das Gleichgewicht nicht direkt, sondern entlasten das Gehirn, fördern die Orientierung und senken so das Risiko für Stürze. Für ältere Menschen mit Hörverlust bedeutet das: Wer besser hört, steht oft auch sicherer.

Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology

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