Wie lange soll ich meine Hörgeräte tragen?
von von Maximilian Bauer, MSc. Clinical Audiology (Kommentare: 0)
Was Forschung, Alltag und gesunder Menschenverstand dazu sagen.

Es ist eine der häufigsten Fragen nach der Anpassung:
„Wie lange am Tag soll ich meine Hörgeräte eigentlich tragen?“
Die knappe Antwort:
So viel wie möglich – aber nicht um jeden Preis.
Der Stand der Wissenschaft
Studien wie die von Laplante-Lévesque et al. (2014) zeigen, dass viele Erwachsene ihre Hörgeräte im Durchschnitt etwa 8 bis 10 Stunden pro Tag tragen – manchmal auch deutlich mehr. Interessant: Die Nutzer:innen überschätzen ihre tatsächliche Tragedauer häufig. Es zeigt, wie subjektiv unser Zeitempfinden in Bezug aufs Hören ist.
Timmer et al. (2017) werteten Daten von über 16.000 Nutzer:innen aus und fanden einen Mittelwert von 8,5 Stunden pro Tag – unabhängig davon, ob der Hörverlust mild oder moderat war. Auch das sagt viel: Der Bedarf an Klang und Verständlichkeit ist offenbar nicht nur eine Frage der Audiogramm-Kurve.
Und in der neuesten Arbeit von Roger et al. (2025) wurde mithilfe von Machine Learning analysiert, welche Faktoren die tatsächliche Nutzung am besten vorhersagen. Ergebnis: Nicht allein der technische Nutzen, sondern vor allem Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit spielen eine Schlüsselrolle. Wer seine Geräte versteht und sich kompetent im Umgang fühlt, trägt sie länger.
Was passiert, wenn man Hörgeräte zu wenig trägt?
Ganz klar:
Wer Hörgeräte nur sporadisch nutzt, gewöhnt sich nie richtig an die neue Klangumgebung. Das Gehirn bleibt im Ausnahmezustand. Geräusche werden ständig neu bewertet, Sprache bleibt anstrengend, und Frustration wächst.
Zudem haben Olsen et al. (1999) gezeigt, dass Langzeitnutzung die Lautheitswahrnehmung verändert – im positiven Sinne. Das heißt: Wer regelmäßig hört, trainiert sein Gehirn. Wer zu oft pausiert, bremst diesen Lerneffekt aus.
Und was ist mit Kindern?
Für Kinder gelten strengere Maßstäbe.
Muñoz et al. (2014, 2015) zeigen, wie wichtig konstante tägliche Tragezeiten sind – oft 10 bis 12 Stunden oder mehr, idealerweise den ganzen wachen Tag. Denn bei Kindern geht es nicht nur um Verstehen, sondern auch um Sprachentwicklung, soziales Lernen und Gehirnreifung. Jede unversorgte Stunde kann Entwicklungszeit kosten.
Gleichzeitig berichten Eltern laut Studien von großen Herausforderungen, etwa Ablehnung durch das Kind, technische Probleme oder Unsicherheit im Alltag. Hier sind Geduld, Unterstützung durch Audiolog:innen und eine realistische Erwartungshaltung gefragt.
Und wie ist das im echten Leben?
Ich habe viele Kund:innen erlebt, die ihre Hörgeräte sofort liebten – und solche, die sie wie ein unbequemes neues Paar Schuhe behandelten. Beide Extreme sind okay, solange man sie versteht.
Ich rate in der Regel zu folgendem Vorgehen:
Langsam steigern. Am Anfang reichen auch 2–3 Stunden, dann 5, dann 8.
Keine Heldenpflicht. Wenn’s zu viel wird – Pause machen.
Tägliches Ziel setzen. Zum Beispiel: „Heute schaffe ich 6 Stunden.“
Ohren beobachten. Nicht nur technisch, sondern körperlich und seelisch.
Der Körper ist der bessere Kalender als jede Statistik.
Fazit: Wie lange ist richtig?
Wenn Sie erwachsen sind, ist ein Ziel von 8 bis 12 Stunden pro Tag realistisch und sinnvoll.
Bei Kindern: so viel wie möglich.
Aber noch wichtiger ist vielleicht eine andere Frage:
Wie gut fühlt es sich an, mit Hörgeräten durch den Tag zu gehen?
Denn manchmal ist eine Stunde konzentriertes Verstehen wertvoller als zehn Stunden mit Zähneknirschen.
Newsletter
Mit einer Anmeldung für unseren kostenfreien Newsletter erhalten Sie regelmäßig aktuelle Informationen rund um unser Unternehmen. Zudem erhalten Sie kostenfrei den Downloadlink zur begehrten Hörakustiker-Checkliste.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben