Was Geräusche in uns auslösen

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Valenz, Arousal und die emotionale Seite des Hörens

Das Bild zeigt zwei Frauen nebeneinander, die Musik hören. Während eine lächelt und offensichtlich emotional reagiert, wirkt die andere ruhig und unbewegt. Es symbolisiert die veränderte Gefühlswahrnehmung bei Hörverlust – auch wenn beide den gleichen Kla

Es ist leicht, beim Thema Hörverlust nur an Sprachverstehen und Lautstärke zu denken. Aber was ist mit der Gefühlswelt? Warum klingt Vogelgezwitscher manchmal einfach nur "da" – aber nicht mehr schön? Warum fühlt sich Musik flach an, selbst wenn man sie technisch gut hört? In der Audiologie rückt eine Dimension immer stärker in den Fokus: Die emotionale Klangverarbeitung.

Was sind Valenz und Arousal?

Die Forschung unterscheidet zwei Hauptachsen der emotionalen Reaktion auf Klänge:

  • Valenz: Wie angenehm oder unangenehm ein Klang empfunden wird
  • Arousal: Wie stark ein Klang uns aktiviert oder aufregt

Ein Babygeschrei hat z. B. hohe Arousal, aber meist negative Valenz. Regenrauschen ist oft angenehm (positive Valenz), aber mit niedrigem Arousal. Diese Dimensionen lassen sich in Studien messen, z. B. über Bewertungen, Hautleitfähigkeit oder Pupillenreaktionen.

Was ändert sich bei Hörverlust?

Menschen mit Hörverlust zeigen in vielen Studien eine veränderte emotionale Reaktion auf Klänge:

  • Positive Geräusche (z. B. Musik, Vogelstimmen) werden weniger positiv bewertet
  • Negative Geräusche (z. B. Kreischen, Sirenen) werden weniger negativ bewertet

Die Valenz-Skala wird also enger – man spricht von einer "squeezed" emotionalen Reaktion. Arousal bleibt dagegen oft gleich, weil er stärker von der Lautstärke beeinflusst wird.

Warum ist das so?

Die genaue Ursache ist noch nicht abschließend geklärt. Vermutet werden mehrere Faktoren:

  • Hörbarkeit: Was nicht gehört wird, kann auch keine Gefühle auslösen
  • Verlust spektraler Feinheiten: Vor allem hohe Frequenzen tragen zur Klangfarbe bei
  • Verlust zeitlicher Modulationen: Besonders langsame Schwankungen (2–4 Hz) sind wichtig für "Schönheit"
  • Kompression in Hörgeräten: Standard-WDRC kann wichtige dynamische Merkmale abflachen
  • Soziale Entkopplung: Wer weniger am Klanggeschehen teilnimmt, reagiert auch weniger emotional

Was leisten Hörgeräte wirklich?

Hörgeräte stellen vor allem Lautheit und Sprachverstehen wieder her. Die emotionale Klangtiefe wird aber oft nicht vollständig zurückgebracht. Auch High-End-Geräte können daran bislang wenig ändern.

Es zeigt sich: Selbst mit gut angepasster Technik klingen viele Klänge für Betroffene "flach" oder "neutral". Das kann auch erklären, warum manche Patienten ihre Geräte zwar nutzen – aber keine echte Freude an Klängen mehr empfinden.

Was können wir tun?

Auch wenn wir die Ursachen noch nicht ganz verstehen, gibt es Möglichkeiten:

  • Individuelle Feinanpassung statt nur Zielkurve
  • Separate Musik- oder Natur-Programme, die weniger stark komprimieren
  • Gespräche über Klangqualität und Hörgefühle führen
  • Realistische Erwartungen kommunizieren: "Nicht alles klingt wieder wie früher, aber manches wird wieder nahbar."

Fazit

Hören ist mehr als Verstehen. Es ist Verbindung, Erlebnis, Lebensqualität. Und gerade die emotionale Seite des Hörens zeigt uns, dass Technik allein nicht alles lösen kann. Aber sie kann helfen, das Fenster zur Welt ein Stück weiter zu öffnen.

Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology


Über den Autor

Max Bauer

Maximilian Bauer, MSc. Clinical Audiology
Maximilian Bauer gilt als erfahrener Experte für Hörsystemversorgung, moderne Hörakustik und ethische Beratung im Gesundheitswesen. Er verbindet handwerkliche Präzision mit akademischem Wissen und setzt sich für eine transparente, menschenorientierte Hörversorgung ein.

www.hoergeraete-insider.de


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