Was ich meinem besten Freund vor dem Hörgerätekauf raten würde
von von Maximilian Bauer, MSc. Clinical Audiology (Kommentare: 1)
Was ich meinem besten Freund raten würde
Es gibt Gespräche, bei denen man merkt, wie viel auf dem Spiel steht.
Kürzlich hat mich ein guter Freund gefragt: „Was würdest du tun, wenn du in meinem Alter ein Hörgerät bräuchtest?“ – Kein Small Talk. Keine Produktempfehlung. Sondern eine echte Vertrauensfrage.
Was ich ihm geantwortet habe, steht in diesem Artikel.
Nicht als Werbetext. Sondern als Orientierung. Weil es Zeit ist, dass jemand die Perspektive der Ratsuchenden ernst nimmt – und nicht nur die Verkaufslogik.
Worum es beim Hörgerätekauf eigentlich geht
Viele Menschen glauben, es gehe beim Hörgerät vor allem um Technik.
Marke, Akkulaufzeit, Bluetooth, Windgeräusch-Unterdrückung. Das alles ist relevant – aber nicht entscheidend. Denn ein gutes Gerät nützt wenig, wenn die Anpassung schlecht ist.
Was wirklich zählt, ist der Mensch, der es Ihnen anpasst.
Ein Hörgerät ist kein Produkt wie ein Fernseher. Es ist ein persönliches Werkzeug, das Ihr Gehirn neu vernetzt – mit Sprache, Orientierung, Lebensfreude.
Und genau deshalb ist die Art der Beratung so entscheidend.
Beratung ist keine Nebensache – sie ist das Zentrum
Der Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Hörgeräteversorgung liegt nicht im Preis, sondern in der Haltung der beratenden Person.
- Hört mir mein Akustiker wirklich zu?
- Stellt er Fragen zu meinem Alltag – oder erklärt er nur Technik?
- Bekomme ich Raum zum Ausprobieren – oder spüre ich Verkaufsdruck?
- Fühle ich mich verstanden?
Deshalb habe ich einen Ethik-Kodex für Hörakustiker entwickelt. Er ist mein persönliches Statement für eine Branche, die oft mehr verkaufen als verstehen will.
Warum REM wichtig ist – aber nicht alles
Die sogenannte REM (Real Ear Measurement) misst, ob das Hörgerät im Ohr tatsächlich das tut, was es soll. Sie ist ein objektiver Baustein einer guten Hörgeräteberatung – aber kein Selbstzweck.
REM ist objektiv. Aber gutes Hören ist immer subjektiv.
Ein guter Akustiker nutzt REM als Basis, aber passt die Verstärkung mit Augenmaß an – abhängig von Ihrem Empfinden. Mehr zur REM-Messung finden Sie hier: REM erklärt – Chancen & Grenzen.
Zielkurve? Ja. Aber bitte mit Gefühl.
Ein häufiger Fehler: Geräte werden direkt auf „Zielverstärkung“ eingestellt – und der Kunde fühlt sich überfordert. Zu laut. Zu grell. Zu viel.
Ein guter Anpassprozess gibt dem Gehirn Zeit zur Gewöhnung und richtet sich nach dem Alltag – nicht nur nach der Kurve auf dem Bildschirm.
Zielkurven sind eine Hilfe, keine Vorschrift. Die beste Einstellung ist die, die sich richtig anfühlt.
Klangbeispiele, die zu Ihrem Leben passen
Vogelgezwitscher im Studio hilft wenig, wenn die Stimmen der Enkelkinder weiter fremd klingen.
Fordern Sie realistische Klangbeispiele – aus Ihrem echten Leben:
- Stimmen aus Ihrer Familie
- Alltagssituationen wie Telefonkonferenzen
- Vertraute Geräusche: Stadt, Küche, Natur
Geben Sie sich Zeit – und lassen Sie sich Zeit
Ein Hörgerät ist eine Umstellung – nicht nur für die Ohren, sondern fürs Gehirn. Deshalb gilt: Langsam steigern.
| Tag | Tragedauer | Ziel |
|---|---|---|
| 1–2 | 2–4 Stunden | Ruhe, keine Reizüberflutung |
| 3–4 | 6–8 Stunden | Gespräche, kleine Herausforderungen |
| 5–6 | 10 Stunden | Alltagssituationen (Küche, Einkauf, TV) |
| 7 | Alle Wachstunden | Volle Integration |
Was ein wirklich guter Akustiker tut
- Hört mehr zu als er spricht
- Erklärt verständlich – nicht nur technisch
- Nutzt REM, aber entscheidet auf Basis Ihres Erlebens
- Gibt Ihnen Zeit zur Gewöhnung
- Verkauft nichts, was nicht passt
Ein schlechter Akustiker will verkaufen. Ein guter will verstehen. Ein exzellenter hilft Ihnen, sich selbst zu verstehen.
Fazit: Vertrauen ist wichtiger als Technik
Mein Rat an jeden, der ein Hörgerät braucht:
Geh nicht dahin, wo die Geräte am günstigsten sind – sondern dahin, wo du dich verstanden fühlst.
Technik ist ausgereift. Was zählt, ist der Mensch dahinter. Und genau deshalb habe ich diesen Artikel geschrieben.
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Kommentare
Kommentar von Andreas |
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihr Artikel hat mir sehr geholfen! Vielen Dank für Ihre Arbeit!
Antwort von von Maximilian Bauer, MSc. Clinical Audiology
Hallo Andreas,
das freut mich sehr!
Viele Grüße,
Max Bauer
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