Hören Männer anders? Warum Bluthochdruck und Diabetes das Gehör geschlechtsspezifisch beeinflussen
von von Maximilian Bauer, MSc. Clinical Audiology (Kommentare: 0)
Komorbiditäten und Hören – eine unterschätzte Verbindung

Wie sehr beeinflussen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Blutfettwerte eigentlich unser Gehör? Und reagieren Männer und Frauen gleich? Neue Studien aus den USA und Asien deuten auf etwas hin, das in Deutschland kaum bekannt ist: Die Ohren von Männern und Frauen altern unterschiedlich – und zwar je nach Grunderkrankung.
Die medizinische Fachliteratur spricht von "Komorbiditäten" – also chronischen Begleiterkrankungen, die gemeinsam auftreten. Laut Victor Bray (2019) besteht ein immer klarerer Zusammenhang zwischen sensorineuralem Hörverlust und Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder chronischer Nierenschwäche. Oft liegen diesen Erkrankungen gemeinsame pathophysiologische Prozesse zugrunde, wie Durchblutungsstörungen, systemische Entzündungen oder metabolische Fehlsteuerungen.
Das metabolische Syndrom und seine Folgen fürs Gehör
Ein zentrales Thema ist das sogenannte metabolische Syndrom: eine Kombination aus Übergewicht (insbesondere Bauchfett), erhöhtem Blutzucker, hohen Blutfetten und Bluthochdruck. Studien aus Taiwan, Korea und den USA (u. a. Chien 2015, Shim 2019, Jung 2018) zeigen eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für plötzlichen oder fortschreitenden Hörverlust bei Menschen mit metabolischem Syndrom.
Dabei scheinen mehrere Mechanismen zusammenzuwirken: Mikroangiopathien im Innenohr, oxidative Stressreaktionen, Schäden an den Haarzellen durch Insulinresistenz und eine gestörte Funktion der Stria vascularis. Besonders kritisch: Diese Prozesse verlaufen oft schleichend und bleiben lange unbemerkt.
Männer und Frauen – unterschiedliche Risiken, unterschiedlicher Hörverlust
Eine der spannendsten Erkenntnisse liefert eine aktuelle Studie von Baiduc et al. (2023): Sie zeigt, dass Männer und Frauen unterschiedlich auf klassische Risikofaktoren reagieren, wenn es ums Gehör geht.
- Bei Männern sind Bluthochdruck und Rauchen besonders stark mit einem erhöhten Risiko für Hörverlust verbunden.
- Bei Frauen hingegen ist Diabetes der dominierende Risikofaktor – mit signifikant höherem Einfluss auf die Hörleistung.
Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede könnten hormonell, vaskulär oder lebensstilbedingt sein. Diskutiert werden unter anderem schützende Effekte von Östrogenen oder Unterschiede im Fettstoffwechsel. Klar ist: Die Prävention muss in Zukunft differenzierter werden.
Klinische Relevanz für Prävention und Aufklärung
Wer in der Audiologie arbeitet, sollte Risikoprofile im Blick behalten. Besonders bei Patientinnen mit Diabetes und Männern mit Bluthochdruck lohnt sich ein frühzeitiger Hörtest. Auch interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Hausärzten oder Diabetologen kann helfen, Hörschäden früh zu erkennen und Versorgungslücken zu vermeiden.
Hörverlust ist oft kein isoliertes Problem, sondern Teil eines größeren Gesundheitsbilds. Wer hier ganzheitlich denkt, kann Menschen nicht nur besser versorgen, sondern auch Frühindikatoren für andere Krankheiten entdecken.
Fazit
Das Gehör ist ein Spiegelbild unserer Gesundheit – aber Männer und Frauen schauen nicht in denselben Spiegel. Wer Diabetes hat, sollte sein Gehör im Blick behalten, besonders Frauen. Und wer unter Bluthochdruck oder Gefäßerkrankungen leidet, insbesondere Männer, könnte mit einem Hörtest mehr über sein Herz erfahren als durch ein EKG allein. Es ist Zeit, dass wir in der Audiologie geschlechtsspezifischer denken.
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