Hörakustik gestern, heute und morgen?

von (Kommentare: 1)

Hörakustik gestern, heute und morgen

Wandel

Liebe Leser, in diesem Artikel werde ich von meinen persönliche Eindrücken erzählen. Hörgeräteakustik als solches und die Politik mischen sich dabei. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ausserdem gibt es sicher Kollegen, die die Zeit anders in Erinnerung habe.

Also, ich habe 1997 mit meiner Ausbildung begonnen. Ich lernte in einem kleinen Betrieb in München. Es gab nur dieses eine Geschäft. Es war kein Filialist. Damals waren Filialisten eh viel kleiner als heute. Man müsste nachsehen wie viele Filialen Hörgeräte Geert damals hatte.

À propos Geers. Mein damaliger Chef kannte Herrn Geers. Sie waren beide in der Innung tätig. Laut meinem Chef hatte Herr Geers einen Ferrari in seinem Haus/ Garage so geparkt, dass er ihn praktisch die ganze Zeit anschauen konnte wenn er zuhause war. (Reines Hören/sagen). Komisch, dass ich gerade das in Erinnerung habe.

Was ich auch noch in Erinnerung habe war, dass unser Geschäft unglaublich gut lief. Täglich kamen mehrere neue Kunden, die allesamt neue Hörgeräte kaufen wollten. Wir waren 7 ein halb inkl. Buchhaltung. Sieben Mitarbeiter in nur einem Geschäft muss man heute erstmal finden. In der Regel sind es 2 oder 3. 

Wir ware also gut ausgelastet. Und dass obwohl wir keine Werbung schalteten. Ich kann mich noch erinnern wie mein Chef geflucht hat, wie unverschämt teuer die gelben Seiten seien. Wir waren dort nur mit einer Zeile vertreten, also fast unsichtbar.

Was ich nur am Rande mitbekam waren die guten Beziehungen von "uns" zu den HNO-Ärzten. Damals war so eine enge Zusammenarbeit noch normal und nicht verwerflich oder verboten. (Glaube ich jedenfalls).

Die Anpassung der Hörgeräte wurde mittels kleinen Stellern an den Geräten gemacht. Es gab dafür den grünen Schraubenziehen von Phonak, den alle Kollegen gut kennen?.

Es wurde ein kleiner Messschlauch in den Gehörgang gelegt und man hörte aus einem Lautsprechen einen Sweep. 

Jeder der an einem Anpassraum vorbei ging, wusste sofort was gerade gemacht wurde.

In dieser Zeit (1997-2000) konnte ich also noch lernen wie analoge Geräte angepasst wurden. Dann wurden die ersten digital programmierbaren Hörgeräte angepasst und dann kamen voll digitale Hörgeräte auf den Markt. Ich meine mich an Siemens Prisma und natürlich an das Widex Senso erinnern zu können.

Widex Senso

Damals sagte mir mein Ausbilder, dass wir uns in einer Zeit des Umbruchs befinden. Daran kann ich mich noch gut erinnern. 

Ich kann mich auch noch erinnern wie mein Chef sich darüber aufregte, dass die Hörgerätebatterien nicht mehr von der Krankenkasse übernommen wurden. Das muss man sich heute mal vorstellen. Alle Reparaturen wurden von der Krankenkasse übernommen. Jeder Schlauchwechsel wurde der Krankenkasse mit 14 EUR  berechnet. Hörgeräteträger hatten damals noch alle 5 Jahre Anspruch auf neue Hörgeräte. Unternehmerisch unglaubliche Zeiten.

Im Jahr 2000 ging ich dann auf die Berufsoberschule um das Abitur zu machen. Erst 2007 kehrte ich in die Hörakustik zurück.

Ich arbeitete für ein großes inhabergeführtes Unternehmen und war für die Hausbesuche verantwortlich. Ich besuchte hauptsächlich Seniorenheime und Menschen die nicht mehr mobil waren. 

Es gab damals noch Hinter-dem-Ohr Hörgeräte von Siemens, die man mit dem Schraubenzieher einstellen konnte. Das hat die Hausbesuche wirklich einfach gemacht. Diese Geräte hatten auch noch den guten alten MTO-Schalter. Also An (Mikrofon), T-Spule und Aus(0).

So konnten die Krankenpfleger gut erkennen ob die Hörgeräte eingeschaltet waren oder nicht.

Dann wurden diese super Hörgeräte vom Markt genommen. Statt dessen kamen neue Geräte. Kleiner und mit digitalem Poti, das sich unendlich drehte, ohne Zahlen. (Das war davor 1-4) So wussten hier auch wieder die Pfleger wie laut das Hörgeräte war.

Also auf deutsch. Der totale Scheiss! 

Die besten Hörgeräte wurden vom Markt genommen. Die Hörakustikbranche war wieder mal im Wandel. Es mussten kleine, schicke Hörgeräte her. Egal ob die besser waren oder nicht.

Die T-Spule kam aus der Mode. Auch sehr schade.

Irgendwann sah ich mal eine Ausgabe der Zeitschrift Hörakustik und auf dem Cover war der Satz "Hörakustik quo vadis" zu lesen. Das hatte aber nichts mit Hörgerätemodellen zu tun. Ich glaube es ging um Krankenkassenverträge.

Ich habe dann den Meister gemacht und selbst ein Fachgeschäft gegründet. Die Krankenkassenverträge wurden wieder angepasst. Es gab nur noch Reparatur Pauschalen. Reparaturen konnten nicht mehr gesondert verrechnet werden. Alles war also wieder im Wandel.

2014 kam das erste Hörgerät, dass über das Handy gesteuert werden konnte und wieder änderte sich viel.

Nun ist die ganze Branche in Aufregung weil sich in den letzen Jahren etwas (noch nichtmal viel) ins Internet verlagert hat. Das wurde durch die Teleaudiologie möglich. Hier können Hörgeräte auch aus der Ferne programmiert werden.

Und ich höre ständig die Branche ist im Wandel. 

Verstehen Sie was ich Ihnen damit sagen will?

Die Hörakustik-Branche, und alle anderen Branchen befinden sich in einem ständigen Wandel. Seit es sie gibt. Das muss nicht schlecht sein. 

Nun fragen sich viele wie die Zukunft bei uns aussehen könnte.

Wer weiss das schon. 

Ich kann nur sagen, dass es so aussieht als würde sich noch viel mehr ins Internet verlagern. 

Das muss nicht der Verkauf übers das Netz sein. Es kann z.B. die Erstberatung oder/ und die Nachsorge sein.

Hearables kommen auf den Markt. Das sind kleine Bluetooth Hörer wie AirPods, die auch eine Verstärkungsfunktion haben.

So lange die Krankenkassen in Deutschland noch Hörgeräte bezuschussen, denke ich bleibt das System vorerst noch wie es ist. Falls sich das ändert, wird es wohl deutlich günstigere Lösungen geben.

Apple verlagert, wie man an der Apple Watch sieht viel Engagement hin zum Thema Health. Mal sehen was die neuen AirPods im Bezug auf Ausgleich des Hörverlustes können. Leichte Hörverlust können in Zukunft sicher hiermit ausgeglichen werden.

Was glauben Sie? Schreiben Sie es gerne in die Kommentare.


Über den Autor

Max Bauer

Max Bauer
Hörakustikmeister und Audiologie Student

www.hoergeraete-insider.de


Kommentare

Kommentar von BeBo |

Also ich glaube da werden so manche Platzhirsche ein ganz schön böses Erwachen haben und den Weg gehen den Xerox, Kodak und Nokia gehen mussten.

Nur wieder gut hören reicht heutzutage für die nachwachsende Kundschaft einfach nicht mehr aus. Ich und vermutlich auch viele andere Verwender erwarten die gleichen Funktionalitäten, die sie von Ihren Onlinemeeting-Headsets aus dem Büro und ihren Bluetooth-Kopfhörern aus der Freizeit kennen, auch bei Hörgeräten. Wer da nicht abliefert ist einfach weg vom Fenster.

Oticon scheidet für mich wegen der miesen Konnektivität zu Android und resound wegen der unterirdischen Audioqualität bei Streaming aus.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Hersteller, die jetzt Noisecancelling perfekt beherrschen, auch in Richtung Hörunterstützung etwas auf die Beine gestellt bekommen. Auch Machinelearning und künstliche Intelligenz werden Gamechanger sein.

Grüße,
Bernhard

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